Interview: Das Fiverr-Empfehlungsprogramm – ungenutztes Potenzial in einer globalen Community
VI: Hallo Björn, lass uns heute über das Empfehlungsprogramm von Fiverr sprechen. Fiverr ist mit Millionen von Nutzern weltweit eine der größten Plattformen für Freelancer. Für unsere Leser, die das Programm noch nicht kennen: Wie funktioniert es, und wie würdest du es beurteilen?
Björn Mayer: Hallo VI, danke für die Einladung! Das Fiverr-Empfehlungsprogramm bietet bestehenden Nutzern 10 % des Auftragswerts als Guthaben für jede erfolgreiche Empfehlung, bis zu maximal 100 $ pro Empfehlung. Der geworbene Freund erhält ebenfalls 10 % Rabatt auf seinen ersten Auftrag, was ein solider Einstieg ist. Insgesamt können Nutzer bis zu 500 $ Guthaben verdienen.
Mein erster Eindruck: Die Basis stimmt, aber das Programm schöpft das enorme Potenzial von Fiverr nicht aus. Besonders bei einer Plattform mit so einer großen und aktiven Community könnte deutlich mehr erreicht werden.
VI: Fiverr hat ja Millionen Freelancer, die auf der Plattform arbeiten. Du hast erwähnt, dass es dort eine „eingebaute Viralität“ gibt. Kannst du das näher erklären?
Björn Mayer: Absolut. Fiverr hat tatsächlich eine Art natürliche Viralität, die andere Plattformen nicht haben. Freelancer müssen oft in Teams arbeiten, Partner für größere Projekte finden oder sogar ganze Netzwerke von Dienstleistern aufbauen.
Ein Beispiel: Ein Webdesigner braucht vielleicht einen Copywriter für die Inhalte einer Website, ein Übersetzer sucht Unterstützung in anderen Sprachen oder ein Videoproduzent arbeitet mit einem Motion Designer zusammen. Das bedeutet, dass Freelancer auf Fiverr von Natur aus oft andere Freelancer empfehlen oder in ihre Projekte einbinden – eine perfekte Gelegenheit, das Empfehlungsprogramm aktiv zu nutzen.
VI: Wie könnte Fiverr diese „eingebaute Viralität“ besser nutzen?
Björn Mayer: Hier gibt es einiges, was Fiverr tun könnte:
- Team-Features: Fiverr könnte ein System einführen, das Freelancern erlaubt, Teams zu bilden und gezielt Partner auf der Plattform zu empfehlen. Das würde nicht nur den Workflow erleichtern, sondern auch die Nutzung des Empfehlungsprogramms fördern.
- Provisionsteilung: Wenn Freelancer Partner empfehlen und diese gemeinsam an einem Auftrag arbeiten, könnten sie sich die Empfehlungsprämie teilen. Das wäre ein zusätzlicher Anreiz für Zusammenarbeit.
- Netzwerk-Building fördern: Fiverr könnte gezielt Inhalte oder Tutorials anbieten, wie Freelancer Netzwerke aufbauen und dabei das Empfehlungsprogramm nutzen können. Beispielsweise: „Wie Sie durch Empfehlungen ein starkes Netzwerk auf Fiverr aufbauen.“
VI: Das klingt vielversprechend! Aber du hast auch gesagt, dass das Programm wenig ambitioniert ist – was meinst du damit genau?
Björn Mayer: Fiverr versteckt das Empfehlungsprogramm leider im Footer der Website – es gibt keinen prominenten Call-to-Action, keine Push-Mails oder sichtbare Hinweise im Dashboard. Ich selbst habe zum Beispiel nie eine E-Mail bekommen, die mich auf das Programm aufmerksam macht.
Für eine Plattform mit so vielen Nutzern ist das eine verpasste Chance. Fiverr müsste das Programm viel aktiver bewerben, um es bekannt zu machen und mehr Nutzer zur Teilnahme zu motivieren.
VI: Neben der Sichtbarkeit – gibt es andere Schwächen, die dir aufgefallen sind?
Björn Mayer: Ja, es fehlt an emotionalem Anreiz. Das Programm kommuniziert keine klare Mission oder Story, die Nutzer dazu motiviert, Fiverr aus Überzeugung weiterzuempfehlen. Alles basiert auf der finanziellen Belohnung – aber heutzutage funktioniert das allein nicht mehr. Erfolgreiche Programme, wie das von Dropbox, haben gezeigt, wie wichtig eine emotionale Verbindung ist.
Außerdem fehlt jegliche Art von Gamification. Es gibt keine Leaderboards, keine Meilenstein-Belohnungen, nichts, was das Programm spannend oder spielerisch macht. Fiverr könnte zum Beispiel zusätzliche Belohnungen für die 5., 10. oder 20. Empfehlung anbieten – oder Erfolge öffentlich sichtbar machen.
VI: Und wie steht es um die Viralität? Du hast gesagt, dass es hier ebenfalls Schwächen gibt.
Björn Mayer: Genau. Es gibt keine wirklichen Viral Loops. Der Referral-Link ist nicht direkt über Social Media oder andere Kanäle teilbar, zumindest nicht in einer optimierten Weise. Fiverr könnte hier ein integriertes Sharing-Tool anbieten, das es Nutzern erlaubt, Empfehlungen per WhatsApp, LinkedIn oder Facebook mit nur einem Klick zu teilen.
VI: Gibt es auch Aspekte, die Fiverr richtig macht?
Björn Mayer: Ja, der größte Pluspunkt ist die Möglichkeit, den Referral-Link in die E-Mails einzubauen, die Freelancer ohnehin verschicken. Das ist ein extrem starker Hebel, besonders wenn man bedenkt, dass viele Freelancer große Verteiler mit Kundenkontakten haben.
VI: Wie funktioniert das genau?
Björn Mayer: Jeder Nutzer hat einen individuellen Referral-Link, den er in E-Mails einfügen kann. Freelancer, die beispielsweise Kunden kontaktieren oder ihre Dienste bewerben, können diesen Link einfach in ihre Signatur einfügen.
Nehmen wir an, ein Freelancer verschickt E-Mails an 1.000 Kunden oder Interessenten. Selbst wenn nur 1 % dieser Empfänger den Link nutzt, sind das schon 10 Empfehlungen – und das bei minimalem Aufwand. Wenn diese 10 neuen Nutzer wiederum ihre eigenen Netzwerke nutzen, entsteht ein Schneeballeffekt.
VI: Wenn du Fiverr beraten würdest, was wären deine Top 3 Verbesserungsvorschläge für das Programm?
Björn Mayer:
- Prominente Platzierung und Kommunikation: Das Programm muss sichtbarer werden – auf der Startseite, im Dashboard und durch regelmäßige E-Mail-Sequenzen.
- Team- und Netzwerk-Features: Fiverr sollte die Zusammenarbeit zwischen Freelancern stärker fördern und das Empfehlungsprogramm in diese Prozesse integrieren.
- Gamification und Storytelling: Nutzer wollen nicht nur Geld verdienen, sie wollen auch Teil einer größeren Mission sein. Fiverr sollte Geschichten erfolgreicher Freelancer teilen, Meilensteine belohnen und das Programm spielerisch gestalten.
VI: Vielen Dank, Björn, für deine detaillierten Einblicke! Ich denke, Fiverr könnte aus diesen Ideen viel lernen.
Björn Mayer: Danke dir, VI. Das Empfehlungsprogramm von Fiverr hat ein enormes Potenzial, und ich hoffe, dass die Plattform es bald besser nutzt. Die Community ist riesig – und mit den richtigen Maßnahmen könnte das Programm wirklich viral werden.