Interview mit Prof. Philip Kotler: Referral Marketing und die Evolution des modernen Marketings.
Björn Mayer (VIRALLY): Herr Prof. Kotler, es ist mir eine große Ehre, mit Ihnen zu sprechen. Ihre Werke, insbesondere Marketing bzw. Marketing Management, haben mich schon vor Jahrzehnten während meiner Ausbildung begleitet. Sie haben das Marketing wie kein anderer geprägt. Lassen Sie uns heute über ein modernes Thema sprechen: Referral Marketing. Wie ordnen Sie dieses Konzept in die Prinzipien ein, die Sie über die Jahre entwickelt haben?
Philip Kotler: Vielen Dank, Björn. Es freut mich, dass meine Arbeit für Ihre Karriere von Nutzen war. Referral Marketing ist ein faszinierendes Thema. Auch wenn es in meinen Standardwerken nicht direkt angesprochen wird, beruht es auf mehreren Prinzipien, die ich über die Jahre beschrieben habe. Im Kern dreht sich Referral Marketing um zwei Dinge: Vertrauen und Kundenzufriedenheit. Beides sind zentrale Bestandteile einer starken Marketingstrategie.
Die Macht der Mundpropaganda
Björn Mayer: Sie haben in Ihren Büchern oft über die Bedeutung von Mundpropaganda gesprochen. Sehen Sie Referral Marketing als eine Art formalisierte Mundpropaganda?
Philip Kotler: Ganz genau. Mundpropaganda ist das älteste und stärkste Medium im Marketing. Es basiert auf persönlichem Vertrauen, und keine Werbung kann diese Wirkung ersetzen. Referral Marketing institutionalisiert dieses Vertrauen, indem es bestehende KundInnen dazu motiviert, ihre positiven Erfahrungen mit anderen zu teilen.
Der große Vorteil ist, dass es skalierbar geworden ist. Durch digitale Plattformen können Unternehmen Empfehlungen verfolgen, incentivieren und messen. Das ist eine bedeutende Weiterentwicklung der klassischen Mundpropaganda, die früher schwer zu steuern war.
Kundenzentrierung und Empfehlungsstrategien
Björn Mayer: Ein zentraler Gedanke in Ihren Werken ist die Kundenzentrierung. Welche Rolle spielt sie im Referral Marketing?
Philip Kotler: Kundenzentrierung ist das Herzstück jeder erfolgreichen Marketingstrategie – und auch von Referral Marketing. Ein Kunde oder eine Kundin empfiehlt nur, wenn er oder sie nicht nur zufrieden, sondern begeistert ist. Hier liegt der Schlüssel: Referral Marketing funktioniert nur, wenn die Kundenerfahrung außergewöhnlich ist.
Außerdem müssen Unternehmen verstehen, welche Art von Belohnungen oder Anreizen ihre KundInnen wirklich schätzen. Eine rein finanzielle Prämie mag wirken, aber emotionale oder exklusive Vorteile – etwa frühzeitiger Zugang zu neuen Produkten – können oft noch effektiver sein.
Digitalisierung als Verstärker von Referral Marketing
Björn Mayer: Digitalisierung hat viele Marketingdisziplinen revolutioniert. Wie sehen Sie den Einfluss der digitalen Transformation auf Referral Marketing?
Philip Kotler: Digitalisierung ist der Katalysator, der Referral Marketing in seiner heutigen Form möglich gemacht hat. Früher war es schwer, Empfehlungen nachzuverfolgen oder zu messen. Heute ermöglichen Plattformen wie UpViral oder Tools zur Verfolgung von Empfehlungslinks, dieses System effektiv und skalierbar zu machen.
Ein weiterer Aspekt ist die Personalisierung. Digitale Technologien erlauben es, Referral-Programme maßzuschneidern – etwa durch personalisierte Belohnungen oder Botschaften. Das ist eine enorme Stärke, die die Effektivität solcher Programme deutlich erhöht.
Ethik und Vertrauen im Referral Marketing
Björn Mayer: Referral Marketing basiert stark auf Vertrauen. Wie wichtig ist es, dass Unternehmen ethisch handeln und ihre Programme transparent gestalten?
Philip Kotler: Vertrauen ist die Grundlage für jede Empfehlung. Wenn ein Unternehmen nicht transparent mit seinen Programmen umgeht oder die Empfehlungen manipuliert, wird es dieses Vertrauen schnell verlieren.
Ich habe in meiner Arbeit oft über Ethik im Marketing gesprochen. Referral Marketing darf niemals so gestaltet sein, dass es KundInnen das Gefühl gibt, ausgenutzt zu werden. Stattdessen sollte es ein Win-Win-Szenario schaffen – für die Empfehlenden, die neuen KundInnen und das Unternehmen.
Referral Marketing und langfristige Kundenbindung
Björn Mayer: Sie haben stets betont, dass der langfristige Erfolg eines Unternehmens von der Bindung seiner KundInnen abhängt. Wie trägt Referral Marketing zu dieser langfristigen Perspektive bei?
Philip Kotler: Referral Marketing ist mehr als nur ein Mittel zur Neukundengewinnung. Es stärkt auch die Bindung zu bestehenden KundInnen. Wenn ein Unternehmen seine KundInnen einlädt, Teil seiner Mission zu werden und andere einzubringen, fördert das eine tiefere Verbindung.
Es ist ein strategisches Werkzeug, das nicht nur Wachstum, sondern auch Loyalität schafft. Empfehlende KundInnen fühlen sich als Teil der Marke – sie sind nicht nur KonsumentInnen, sondern BotschafterInnen.
Die Zukunft des Marketings und der Einfluss von KI
Björn Mayer: Zum Abschluss: Die Marketingwelt entwickelt sich rasant, besonders mit dem Aufkommen von KI. Welche Rolle sehen Sie für KI im Zusammenhang mit Referral Marketing?
Philip Kotler: KI wird eine entscheidende Rolle spielen, indem sie Referral Marketing noch präziser und effektiver macht. Sie kann helfen, die richtigen Kundensegmente zu identifizieren, personalisierte Empfehlungen zu erstellen und die Effektivität von Programmen in Echtzeit zu analysieren.
Aber wie bei allen Technologien gilt: Sie ist ein Werkzeug, kein Ersatz für eine solide Strategie. Referral Marketing bleibt letztlich ein menschenzentriertes Konzept, das auf Vertrauen und Beziehungen basiert.
Fazit: Referral Marketing im Kotler-Kontext
Björn Mayer: Prof. Kotler, vielen Dank für dieses spannende Gespräch! Ihre Einblicke zeigen, wie Referral Marketing die Prinzipien des klassischen Marketings aufgreift und sie in die digitale Welt überträgt.
Philip Kotler: Vielen Dank, Björn. Es war eine Freude, mit Ihnen zu sprechen. Bleiben Sie neugierig und setzen Sie Ihre Arbeit im Bereich Marketing fort – die Welt braucht innovative DenkerInnen wie Sie. 😊