Interview zwischen Björn Mayer und Brian Chesky über Referral-Programme und Netzwerkeffekte
Björn Mayer (BM): Brian, vielen Dank, dass du dir die Zeit nimmst, heute mit mir über Airbnb und euer berühmtes Referral-Programm zu sprechen. Warum habt ihr euch damals überhaupt für ein solches Programm entschieden, und wie hat es das Wachstum von Airbnb beeinflusst?
Brian Chesky (BC): Danke dir, Björn. Es freut mich immer, über dieses Kapitel unserer Geschichte zu sprechen. Als wir Airbnb gestartet haben, war das größte Hindernis Vertrauen. Niemand wollte Fremde in seinem Zuhause beherbergen oder in einem fremden Zuhause übernachten. Ein Referral-Programm war für uns die natürliche Lösung: Es hat uns geholfen, Vertrauen aufzubauen, weil die Empfehlungen direkt von FreundInnen und Familie kamen.
Dieses Vertrauen hat dazu geführt, dass NutzerInnen, die über Empfehlungen kamen, eher eine Buchung gemacht oder ihre eigene Unterkunft gelistet haben. Letztlich war das Referral-Programm ein entscheidender Faktor für unser frühes Wachstum.
BM: Ein Referral-Programm klingt für ein Start-up mit Netzwerkeffekten wie Airbnb nach einem No-Brainer. Gibt es überhaupt Gründe, warum ein junges Unternehmen auf ein solches Programm verzichten sollte?
BC: Eine sehr gute Frage, Björn. Es gibt tatsächlich einige Gründe, warum ein Referral-Programm nicht immer die richtige Wahl ist – oder zumindest nicht zu jedem Zeitpunkt. Lass mich ein paar Szenarien nennen:
- Fehlender Product-Market-Fit:
Wenn das Produkt noch nicht ausgereift ist oder die Zielgruppe nicht vollständig überzeugt ist, können Empfehlungen nach hinten losgehen. Wenn Leute ein Produkt teilen und ihre Freund*innen enttäuscht werden, leidet die Marke darunter. - Unkontrollierte NutzerInnenströme:
Für ein Start-up, das noch Schwierigkeiten hat, zu skalieren – sei es wegen technischer Infrastruktur oder begrenzter Ressourcen – kann ein plötzlicher Anstieg an Nutzer*innen ein großes Problem sein. - Missbrauch und Betrug:
Referral-Programme sind anfällig für Manipulation, z. B. durch Mehrfachkonten oder gefälschte Empfehlungen. Ohne klare Mechanismen gegen Missbrauch kann das Programm mehr Kosten verursachen, als es bringt. - Ungeeignetes Timing im Markt:
Wenn der Markt noch nicht bereit für das Produkt ist oder zu viel Konkurrenz herrscht, kann ein Referral-Programm in der Masse untergehen. - Mangelnde Ressourcen:
Ein Referral-Programm zu implementieren und zu optimieren ist aufwendig. Wenn ein Start-up mit begrenztem Team arbeitet, könnte es sinnvoller sein, sich zunächst auf andere Wachstumsstrategien zu konzentrieren.
BM: Interessant. Was hat Airbnb getan, um diese Herausforderungen zu vermeiden?
BC: Wir haben unser Referral-Programm Schritt für Schritt aufgebaut. Zuerst haben wir uns auf einfache Mechaniken konzentriert: eine doppelseitige Belohnung für Gäste und Gastgeberinnen. Wir haben auch viel Zeit in die Optimierung gesteckt. Zum Beispiel haben wir das Programm so gestaltet, dass nur echte Aktionen wie Buchungen oder Gastgeberinnen-Listings belohnt wurden – um Missbrauch zu vermeiden.
Und wir haben es in Märkten eingeführt, in denen wir schon einen gewissen Product-Market-Fit hatten. So konnten wir sicherstellen, dass die Empfehlungen auf Interesse und Begeisterung trafen.
BM: Du hast angesprochen, dass ein Referral-Programm gut für Netzwerkeffekte geeignet ist. Kannst du das näher erläutern?
BC: Natürlich. Netzwerkeffekte entstehen, wenn der Wert eines Produkts für die Nutzer*innen steigt, je mehr Menschen es nutzen. Für Airbnb war das besonders wichtig:
- Mehr Gastgeber*innen: Je mehr Unterkünfte es gibt, desto attraktiver wird die Plattform für Gäste.
- Mehr Gäste: Je mehr Buchungen es gibt, desto mehr Gastgeber*innen fühlen sich ermutigt, ihre Unterkunft zu listen.
Ein Referral-Programm treibt beide Seiten des Netzwerks voran. Indem wir sowohl GastgeberInnen als auch Gäste für Empfehlungen belohnt haben, haben wir das Wachstum auf beiden Seiten gefördert.
BM: Aber Airbnb hat das Gäste-Referral-Programm mittlerweile eingestellt, richtig? Warum?
BC: Genau, wir haben das Gäste-Referral-Programm vor ein paar Jahren in den meisten Märkten beendet. Der Hauptgrund war, dass wir als etablierte Marke weniger auf Empfehlungen angewiesen sind. Wir konnten andere Wachstumsstrategien – wie gezielte Werbung und Partnerschaften – effektiver nutzen.
Das GastgeberInnen-Referral-Programm gibt es aber weiterhin, weil das Angebot an Unterkünften für unser Geschäftsmodell entscheidend ist.
BM: Das macht Sinn. Aber wenn ein Start-up heute ein Referral-Programm einführen möchte, was wären deine Top-Tipps?
BC: Ich würde mich auf drei Dinge konzentrieren:
- Einfachheit: Das Programm muss leicht verständlich und einfach zu nutzen sein. Deine Nutzerinnen sollten ihre Freundinnen mit wenigen Klicks einladen können.
- Belohnungen für beide Seiten: Menschen teilen gerne, wenn sie und die eingeladenen Personen davon profitieren. Beispiele wären Rabatte, Credits oder exklusive Inhalte.
- Kontinuierliche Optimierung: Teste ständig, welche Mechaniken und Belohnungen die höchste Conversion bringen, und passe das Programm entsprechend an.
BM: Gibt es bestimmte Situationen, in denen du ein Referral-Programm besonders empfehlen würdest?
BC: Ja, besonders wenn ein Start-up:
- Hohe Netzwerkeffekte hat, z. B. eine Plattform, die von vielen Nutzer*innen gleichzeitig profitiert.
- Eine begeisterte Nutzer*innenbasis hat, die ohnehin schon bereit ist, das Produkt zu teilen.
- Schnell skalieren möchte, ohne hohe Marketingkosten zu verursachen.
Aber Timing ist entscheidend. Ohne Product-Market-Fit oder ausreichende Ressourcen kann ein Referral-Programm mehr schaden als nutzen.
BM: Danke für diese Einblicke, Brian. Es war unglaublich spannend, mehr über eure Erfahrungen mit Referral-Programmen zu erfahren.
BC: Es hat mir viel Spaß gemacht, Björn. Referral-Programme sind ein mächtiges Werkzeug, wenn sie richtig eingesetzt werden. Ich wünsche dir viel Erfolg bei deinen eigenen Projekten – du bist auf dem richtigen Weg!